Kolumnen

Hier findet ihr regelmäßig neue Meinungsbeiträge, Kommentare und persönliche Perspektiven zu einer breiten Palette von Themen. Unsere Kolumnistinnen und Kolumnisten bieten euch Einblicke, Analysen und Denkanstöße zu allem, was mit Gegenwart & Zukunft der Bildungslandschaft zusammenhängt und blicken dabei auch über den deutschen Tellerrand hinaus.

Wir glauben daran, dass eine lebendige und vielfältige Diskussion grundlegend für eine informierte Gesellschaft ist. Daher laden wir Sie ein, die Beiträge unserer Kolumnistinnen und Kolumnisten zu lesen, zu kommentieren und sich aktiv an der Debatte zu beteiligen.

Unsere Kolumnen

Thank you! Your submission has been received!
Oops! Something went wrong while submitting the form.
false

Welches Fach würde euch am meisten ansprechen: Informatik, Digitale Welt oder Technologie und Innovation? Was wirkt wohl besonders motivierend auf Lernende? Und welche Inhalte wären für dieses Fach aus eurer Sicht besonders wichtig?

Darüber hatte auch die Gesellschaft für Informatik diskutiert, als das neue Schulfach Digitale Welt für Hessen pilotiert wurde. LINK Und auch in vielen anderen Bundesländern wird das Fach Informatik implementiert oder ist es bereits für einige Klassenstufen, manchmal hat es einen anderen Namen und oft unterschiedliche Schwerpunkte. Besonders interessant war für mich daher bei meinem Besuch in Dänemark, wie die dänischen Schulen mit diesem Fach in all seinen Perspektiven umgehen. Denn während wir noch auf die Umsetzung des im Februar zugesagten Digitalpakt 2.0 warten, sind dänische Schulen schon lange deutlich besser digitalisiert - aber bedeutet das auch, dass sie auch offener für Innovation sind? Um es vorwegzunehmen: Ja. Schon im nationalen Rahmenlehrplan ist die Zukunftsorientierung mit den Future Skills festgelegt für alle Schulen, er heißt sogar Fremdtiden skole (Zukunftsschule). Innovationsfähigkeit ist insgesamt ein hoher kultureller Wert in Dänemark, die dänische Handelskammer schreibt sogar hier: „Die Weltbank stuft Dänemark als eines der besten Länder für die Gründung von Start-ups“… ein.

Auf der Suche nach dem neuen Fach bin ich bei TechX, einem LearningHub in der Kommune Rødovre fündig geworden: Dort berichtet der Head of TechX, Jesper Drachmann, wie das neue Fach entwickelt wurde.

1.      Die Kommunen entscheiden über Lerninhalte

Das neue Fach, dass für alle Schulen in der Kommune Rødovre entwickelt wurde, heißt Technologie und Innovation - es entstand in der Zusammenarbeit von Lehrkräften, der Medienabteilung der Stadt und dem LearningHub TechX. Denn jede Kommune entscheidet selbst, welche Schwerpunkte sie setzt und wie der nationale Rahmenlehrplan konkret ausgestaltet wird. Das bedeutet einerseits eine große Passung dessen was gelehrt wird zu den jeweiligen Schulen. Es bedeutet aber auch, dass sich wirklich alle mit den Lehrplänen beschäftigen müssen und die Kommunen einen großen Einfluss haben, mit allen Vor- und Nachteilen. Dabei ist hier TechX für dieses neue Fach besonders geeignet , denn: TechX ist der Ort für Fort- und Ausbildung als eine Art Makerspace, Teil des Unterrichts der umliegenden Schulen, Teil der Kommune und damit auch zuständig für die Entwicklung des neuen Schulfaches Technologie und Innovation.

2.      Inhalte des Faches

Jesper Drachmann, Head of TechX erzählt, welche Schwerpunkte das neue Fach abdeckt: Es geht um digital literacy, also etwa digitale Mündigkeit, aber auch um Kompetenzen wie Kreativität, Innovation und Produktion, also dass aus Lernenden aktive Gestalter:innen und nicht nur Konsumierende werden. Wer erstmal einen Filmclip, einen Podcast oder FakeNews mit KI selbst erstellt hat, weiß schließlich besser, wie das funktioniert und durchschaut eher andere Produktionen. Beim computational thinking geht es darum, welche Herausforderungen sich mit einem Rechner lösen lassen, wobei etwa Algorithmen helfen können. Andere Bausteine sind Programmierung, Systeme und digitale Netzwerke. Damit wird im Fach Technologie und Innovation deutlich mehr abgedeckt als unter dem Fach Informatik meist verstanden wird.

CC-BY-SA: Beat Döbeli Honegger und Renate Salzmann

 

Und es entspricht auch dem, was Expert:innen fordern und übrigens ja auch die KMK-Strategiepapier in der Version von 2021 aufzeigt. Dort wird nämlich Bezug auf das Dagstuhl-Dreieck genommen (nach dem Schloss Dagstuhl benannt). Das Dagstuhl-Dreieck formuliert für das Lernen in der digitalen Welt drei wesentliche Fragen, die unterrichtlich aufgegriffen werden sollen:

Wie funktioniert das? (Technologische Perspektive)
Wie nutze ich es? (Anwendungsorientierte Perspektive)
Wie wirkt es? (Gesellschaftlich-kulturelle Perspektive)

Das Curriculum sieht dann auch ganz anders aus, als man es von einem Curriculum sonst kennt: Jeder QR-Code führt zu den Inhalten für die jeweilige Klassenstufe, beginnend ab Klasse 1.

Alle Spiele wurden selbst ausprobiert. Wenn sie inhaltlich nicht genug Lernstoff hergaben, wurden sie umgebaut, erweitert oder neu hergestellt. Auch das scheint eine typisch dänische Eigenschaft zu sein, sich die Dinge passend zu machen und nicht zu warten, bis sie von oben oder von Firmen geliefert werden. Überall finde ich auch in Schulen selbst hergestellte Handy-Hotels oder Produkte für den Unterricht. Ein bisschen wie die Pippi-Langstrumpf-Mentalität: „Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt!“

Laut Jesper Drachmann wurde die Einführung des neuen Faches gerade von der Kommune evaluiert: Sie war ein voller Erfolg! Das hängt damit zusammen, dass eben nicht nur ein neues Fach eingeführt wurde, sondern eine Implementierung in alle Fächer angestrebt wurde. Es soll sich die Rolle der Lehrkräfte verändern, daher war die Einbindung aller Lehrkräfte auch besonders aufwändig.

Nun ist es ja sehr erfreulich, dass Dänemark diese neue Herausforderung für Schulen so gut löst, aber ihr fragt euch vielleicht, was sich davon jetzt auf deutsche Schulen übertragen lässt. Hier meine Erkenntnisse gebündelt:

1.      Das neue Fach sollte Spaß machen und Lust am Ausprobieren wecken. Schaut euch nochmal den dänischen Lehrplan an, was würdet ihr am liebsten sofort ausprobieren? Genauso sollte der Lehrplan für das neue Fach sein; er sollte Lust machen und Neugier wecken.

2.      Wie ist der nochmal entstanden? Richtig, Grundschul- und Sekundarschullehrkräfte, Tekkies und Bildungsverwaltung haben zusammen gearbeitet - und dabei selbst ganz viel ausprobiert. Es müssen also inhaltliche Expert:innen mit denen zusammen am Tisch sitzen, die die Lerngruppe gut im Blick haben und vielleicht auch ethische Bedenken haben. Vielleicht können Lernende selbst auch Feedback geben, was sie lernen wollen?

3.      Wie mit den Lehrkräften umgehen, die sich als nicht digital kompetent fühlen? Und das sind laut Ipsos-Studie immerhin 62% der deutschen Lehrkräfte! Sie brauchen Unterstützung, einen ausgestatteten Ort und Mentor:innen, damit sie nicht Vermittler:innen dessen sind, was sie selbst nicht gut können. Das führt sonst zu Stress und Widerstand.

4.      Gut ausgestattete Orte wie Medienzentren sollten in den Lehrplan mit aufgenommen werden. Nicht jede Schule kann einen Makerspace ausstatten und alle digitalen Geräte und Spiele anschaffen. Vielleicht können auch Medienpädagog:innen von dort in den Unterricht eingebunden werden?

5.      Das Pius-Gymnasium in Coesfeld hat mir mal erzählt, dass sie einen Fortbildungstag für Lehrkräfte veranstaltet haben - von Schüler:innen! Dort haben alle Lehrkräfte ausprobiert, was ihre Schüler:innen gerade online spielen, womit sie sich beschäftigen. Und die dortige Mediengruppe besteht natürlich auch aus Lernenden, Eltern, Lehrkräften und Schulleitung. Die Challenge heißt also: Wie lässt sich an eurer Schule der Generationen-Gap am besten schließen?

Wer das ganze Interview mit Jesper Drachmann hören möchte, findet das Interview und andere Eindrücke meiner Bildungsreise nach Dänemark hier.

Link zum Film: https://kurzelinks.de/5w4d
Link zur Webseite: https://katiahl-bildungsreisen.de/
Link zum Podcast: https://letscast.fm/sites/schule-lass-mal-reden-8e9b93b9

Und schließlich: Dänemark ist nicht nur das Land der digitalkompetenten Tekkies, sondern auch das Land von Hygge und Wellbeing. Wie passt das zusammen? Darum geht es in meiner nächsten Kolumne, erscheint in etwa vier Wochen hier! Stay tuned!

false

Manche Zahlen die wir tagtäglich so lesen, sind keine schönen Zahlen. Während der Entwicklung unserer Start-Up Idee mit StudySpace, haben wir uns vor allem in die Bereiche Lernverhalten, Motivation und psychische Gesundheit bei jungen Menschen reingelesen.

An dieser Stelle eine Sache vorweg: Ja, diese Themen sind komplex und herausfordernd. Unser Ziel mit dieser Kolumne ist es jedoch, dass ihr am Ende aus der Lektüre hier rausgehst und denkt: „YES – Ich kann junge Menschen beim Lernen entlasten und begleiten. Ich finde einen individuellen Weg, wie mir das gelingt“. Wir möchten euch mit diesen Artikeln eine Mischung aus Fakten, Ideen und Anreizen mitgeben. Jede und jeder von euch wird bestimmt schon ganz tolle Ansätze und Vorstellungen haben, wie er oder sie jungen Lernenden wertvollen Input mit auf den Weg mitgeben kann. Lasst uns deshalb einfach mal gemeinsam in die Materie reinstarten.

Wie ist die Lage bei jungen Menschen?

Eine Unicef Studie hat 2021 festgehalten, dass ganze 37% der 14–19-Jährigen angeben, von psychischen Problemen betroffen zu sein. Die Hälfte aller psychischen Erkrankungen erfolgt vor dem 19. Lebensjahr, sprich überwiegend während der Schulzeit. Das ist erschreckend und wirft Fragen auf: Warum geht es vielen jungen Menschen so schlecht und was können wir als Lehrkräfte und angehende Lehrkräfte machen, damit die Ergebnisse besser ausfallen?

Warum sind so viele junge Menschen psychisch krank?

Die Public Health Schweiz hat Mitte 2023 eine Tagung veranstaltet, wo genau diese Frage beantwortet werden sollte. Ettlich Jugendpsychiaterinnen und -psychiater berichteten von ihren Erfahrungen in der Arbeit mit den Betroffenen. Die Auslöser sind meist ähnlich: Schulischer Druck, Prüfungsstress und Angst vor der Berufswahl sind ganz oben mit dabei doch auch Krisen wie Corona, der Ukraine Krieg und die Inflation spielen hier eine große Rolle. Zwischen ersten Krankheitsanzeichen, einer Diagnose und dem eigentlichen Therapiebeginn vergeht in der Regel viel zu viel Zeit, oft ganze Jahre. Das kann dazu führen, dass sich Verhaltensmuster festigen und weitere Störungen entwickeln. Umso wichtiger ist also die Prävention: Früh ansetzen, früh begleiten und früh stärken. Nach wie vor mangelt es an psychologischer Unterstützung und junge Menschen finden häufig keine Anlaufstelle für ihre Sorgen. Auch wir beobachten selbst, wie häufig sich vor allem Jugendliche uns über Social Media anvertrauen und nach einem offenen Ohr fragen. Ganz oft, weil sie sich in der Schule einfach überfordert fühlen.

Jetzt wird’s interessant: Was können wir konkret tun, um zu unterstützen?

So frustrierend die Lage sein mag, ermöglicht sie uns Lehrpersonen – völlig egal, in welchen Kontext wir mit jungen Menschen arbeiten - deren Situation maßgeblich positiv zu beeinflussen. Was bedeutet das konkret? Wenn wir früh ansetzten und genau die herausfordernden Prozesse begleiten, von denen Jugendliche und junge Erwachsene klagen, können wir einen enormen Unterschied machen und die Zahl an Betroffenen reduzieren. Laut Fachpersonal sollten vor allem die Kompetenzförderung im Vordergrund stehen und die Vermittlung der Selbstwirksamkeit. Lernenden muss klar werden „Hey, ich kann selber beeinflussen, wie ich mich verhalte, von was ich mich stressen lasse und wie ich mit Belastungen umgehe. Das ist ja eigentlich richtig cool!“. In vielen Fällen braucht es gar nicht die ausführliche Beratungsrolle, die wir als Lehrkraft gerne mal einnehmen. Manchmal reicht es schon zuzuhören, sagt Liz Mohn von der Bertelsmann Stiftung – Und mit Sicherheit habt ihr, genauso wie wir, diese Erfahrung in eurem Arbeitsalltag auch schon häufiger gemacht. Wir haben schon mehrmals in unserer jungen Community nachgefragt: „Was hilft dir denn, damit du dich in Schule und Uni wohlfühlst?“. Die Antworten fallen meist ähnlich aus: Ganz oft wird der Wunsch nach aufrichtigem Interesse geäußert. Dass es uns als Lehrperson also wirklich interessiert, wer diese Menschen sind mit denen wir täglich arbeiten, was sie bewegt und wofür sie brennen. So empfinden sich junge Menschen als gesehen, als wichtig. Ähnlich ist es mit dem Punkt Sicherheit, also voll und ganz man selbst sein zu können, ohne Angst vor Wertung zu haben. Uns muss es gelingen, ein Bildungs-Umfeld zu bieten, wo Lernende gerne hinkommen, wo sie wissen, sie sind willkommen, werden gehört und bewirken durch ihre Mitarbeit etwas. Hier die Impulsfrage an uns alle: Was kann ich tun, damit mein Lernraum zu einem sicheren Raum für meine Schülerinnen und Schüler wird?

Schließlich spielt die Aufklärung zum Thema mentale Gesundheit natürlich eine tragende Rolle. Zum Glück reden wir in der heutigen Zeit intensiver und ehrlicher über dieses Thema, aber auch im Ausbildungskontext sollte die mentale Gesundheit häufiger thematisiert und integriert werden. Ein kleiner Ideen-Anreiz kommt hier aus den USA: Seit 2023 können Schülerinnen und Schüler in Colorado an sogenannten Mental Health-Checks teilnehmen, direkt in ihrer Schule. Hierfür wurde sogar ein Gesetz erlassen und das Ganze soll der Prävention dienen. Wir brauchen mehr Fortbildungen, sowohl für Lernende als auch Lehrkräfte und natürlich Fachkräfte Vorort, die Anlaufstelle sind. Nur so kann es uns gelingen, Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene angemessen zu betreuen und zu begleiten.

Da geht noch mehr!

Wir sind uns sicher, dass ihr, wenn ihr bis hier hin gelesen hast, etliche Ideen und Anreize habt, wie wir junge Lernende noch besser unterstützen können, wenn es um mentale Gesundheit im Bildungskontext geht. Kommt gerne mit uns in den Austausch, schreibt uns eine Nachricht und lasst uns brainstormen. Wir möchten sowohl als Lehrerinnen als auch als Gründerinnen das Thema mentale Gesundheit im Lernbereich fördern und voranbringen – und freuen uns riesig auf euren Input!