G8 oder G9? Ein Blick in die Bundesländer beim Streitthema Abitur

Von
Armend Kokollari
|
13
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December 2022
|
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G8 oder G9? Ein Blick in die Bundesländer beim Streitthema Abitur

Berlin. G8 oder G9? Nach wie vor gibt es kaum ein bildungspolitisches Thema, das in der Öffentlichkeit mehr diskutiert wird als die Frage, wie lange die Schulzeit nach der Grundschule bis zum Abitur dauern soll. Wir werfen einen Blick auf den aktuellen Stand und die Umsetzung in den einzelnen Bundesländern.

In den vergangenen Jahren stand in Nordrhein-Westfalen kaum ein anderes landespolitisches Thema derart im Fokus der Öffentlichkeit wie die Schulzeitverkürzung. Nach der G8-Einführung im Jahr 2005 hat die praktische Umsetzung von G8, nach fast zwanzig Jahren, nicht dauerhaft die notwendige Akzeptanz an Schulen in der Öffentlichkeit gefunden. Zu groß war die Belastung, die Schüler:innen durch die G8-Reform erfuhren. Viele Schüler:innen hatten kaum noch Freizeit. Dabei mussten Hobbys wie Musikunterricht und Sportvereine aufgegeben werden, um dem enormen Lernpensum nachkommen und in der Schule bestehen zu können. Auf diese Entwicklung hin begrüßte die NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer die Leitentscheidung des Kabinetts zum Schuljahr 2019/2020 in den Jahrgängen 5 und 6 an allen Gymnasien, mit der Umstellung auf G9 zu beginnen. Damit wird es zum Schuljahr 2023/2024 an den umgestellten Gymnasien, erstmals wieder eine Klasse 10 in der Sekundarstufe I geben. Die Reform hat die Landesregierung zugleich für einen Modernisierungsschub genutzt. Dieser sieht vor, dass die Kernlehrpläne der Gymnasien künftig an die Bedingungen einer digitalisierten Welt angepasst werden. Das bedeutet konkret, dass die Vermittlung von Medienkompetenz und Medienbildung auf Grundlage des Medienkompetenzrahmens NRW fächerübergreifend verankert wird. 

Das Saarland führte bereits 2001 das sogenannte "Turbo-Abitur" an Gymnasien ein, wo Schüler:innen innerhalb von 8 Jahren den Abschluss erreichten. Der ehemalige Ministerpräsident Peter Müller begründete diesen Schritt damals noch mit Wettbewerbsnachteilen gegenüber den europäischen Nachbarländern. Nun möchte der einstige G8-Vorreiter jedoch wieder zum G9-System zurückkehren. In der Zwischenzeit haben sich die Anforderungen an gute Bildung weitreichend verändert – Schüler:innen seien durch Digitalisierung und Globalisierung vor neue Herausforderungen gestellt worden. “Das Gymnasium braucht mehr Herzblut, um fitte Schüler zu haben, die am Ende die Abiturprüfung ablegen”, so Ministerpräsident Tobias Hans. Er bekräftigte, dass es mehr Zeit für die Erlangung des höchsten deutschen Schulabschlusses brauche. Den Schüler:innen soll damit mehr Zeit zum Lernen, zum Arbeiten und zum Forschen gegeben werden. Seit dem laufenden Schuljahr 2022/2023 wurde die Wiedereinführung von G9 an den Gymnasien umgesetzt. Hiervon sind alle Schüler:innen betroffen, die zum Schulstart in die Klassenstufen fünf und sechs übergegangen sind. Niedersachsen ist das erste Bundesland gewesen, in dem man bereits zum Schuljahr 2015/2016 zu G9 zurückkehrte. Nachdem Schüler:innen und Lehrkräfte in der Vergangenheit immer wieder darauf hingewiesen haben, dass die Belastung am Gymnasium mit G8 durch die Verdichtung der Unterrichtsthemen und hohen wöchentlichen Pflichtstundenzahlen zunimmt, soll mit der Rückkehr zu G9 für mehr Entlastung gesorgt werden.

Aufgrund der anhaltenden Kritik haben weitere Bundesländer die Rückkehr zu G9 für sich beschlossen. Hierzu zählen Hessen, Bayern und Schleswig-Holstein. In Baden-Württemberg will eine Gruppe von Eltern das Abitur in neun Jahren wieder zum Standard an staatlichen Gymnasien machen. Dafür hat die Initiative “G9 jetzt!” einen Volksantrag beim Landtag eingereicht. Die grün-schwarze Landesregierung hat sich im Koalitionsvertrag auf die Beibehaltung des G8-Modells als Regelform verständigt. 

Rheinland-Pfalz ist das einzige West-Bundesland, in dem der Regelbetrieb an den Gymnasien seit jeher dem G9-Modell folgt. Es besteht die Möglichkeit, das Abitur mittels Antragstellung durch Schule, Eltern und Schulträger auf acht Jahre zu verkürzen. Hinzu kommt, dass G8 nur zusammen im Ganztagsbetrieb in der 7. bis 9. Jahrgangsstufe angeboten wird, weshalb man auch von G8GTS spricht. Das Abitur nach neun Jahren ist weiterhin landesweiter Standard.

Ost-Länder halten weiterhin an G8 fest

In Sachsen setzt man bereits seit 1992 auf das G8-Modell – mit großem Erfolg. Der Landesvorsitzende des Sächsischen Lehrerverbandes Jens Weichelt sieht insbesondere die Stetigkeit des sächsischen Bildungssystems durch G8 als wesentlichen Grund für die Belegung der Spitzenplätze in Vergleichsstudien wie z.B. dem INSM-Bildungsmonitor. Auch in Thüringen ist G8 fest im Bildungssystem verankert – im Bundesvergleich schneiden die Thüringer Schüler:innen im PISA-Vergleich ebenfalls überdurchschnittlich gut ab. Dennoch gab es in den letzten Jahren vermehrt Forderungen der Thüringer Gymnasiallehrkräfte, flächendeckend auf G9 umzustellen. Lehrer:innen hätten an den Thüringer Gymnasien in den letzten Jahren zunehmend Schwierigkeiten hinsichtlich der Sicherung von Unterrichtsqualität, Lern- und Übungszeit sowie der persönlichen Entwicklung der Schüler:innen festgestellt. Claudia Koch, Sprecherin der Landeselternvertretung, sieht die Einführung eines 13. Schuljahres kritisch. Zwar gebe es Missstände im Schulwesen, doch es ist fraglich, ob dafür das ganze System geändert werden müsse. Sie bekräftigt, dass der Lehrermangel  tragender Faktor für die aufkommenden Defizite sei. Schüler:innen in Berlin, Brandenburg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt folgen gleichermaßen dem G8-Modell und legen ihr Abitur nach zwölf Schuljahren ab, wobei in Mecklenburg-Vorpommern das Gymnasium erst ab Klasse 7 beginnt. 

Der Bildungsföderalismus hinterlässt seine Spuren in der Umsetzung von G8 und G9, und stößt damit immer wieder auf ein geteiltes Echo. Befürworter:innen und Gegner:innen gibt es auf beiden Seiten.

Wie steht ihr zur G8/G9 Thematik? Findet ihr, dass die überdurchschnittlichen Platzierungen der traditionellen G8-Bundesländer die Aufrechterhaltung des Abiturs nach acht Jahren rechtfertigen, oder sollte dem Wunsch vieler Schüler:innen, Eltern und Lehrkräften nach G9 entsprochen werden? Schreibt es uns in die Kommentare!

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