“Intellektuell unattraktiv”? Das Image des Lehrerberufs in Deutschland und der Welt

Von
Carolin Kremer
|
25
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May 2023
|
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“Intellektuell unattraktiv”? Das Image des Lehrerberufs in Deutschland und der Welt
„Du solltest, musst du Lehrgeld zahlen, nicht knirschend mit den Zähnen mahlen: Es ist doch das auf dieser Welt am besten angelegte Geld.“ (Karl-Heinz-Söhler)

Ohne Bildung geht es nicht – und das war schon immer so. Die Menschheit mitsamt ihrer Errungenschaften wäre nicht dieselbe ohne Bildung, denn ohne Bildung gibt es kein Wissen und ohne Wissen keinen Fortschritt. Wissen will vermittelt werden und dazu bedurfte es zu allen Zeiten Menschen, die sich dieser wichtigen Aufgabe annahmen. Lehrer:innen sind ein unverzichtbarer Teil unserer Gesellschaft – damals wie heute – und während sie in anderen Teilen der Welt einen hohen Stellenwert genießen, gelten Lehrkräfte in der deutschen Bevölkerung häufig als jammernde, überbezahlte Beamte mit (zu) viel Freizeit. Der Global Teacher Status Index ergab, dass in kaum einem anderen Land, in dem Lehrer:innen so viel verdienen wie hier, dem Berufsbild ein dermaßen schlechtes Image anhängt. In dem heutigen Artikel wollen wir diesem Phänomen auf den Grund gehen und das Image des Lehrerberufs in Deutschland mit dem Lehrerimage anderer Länder vergleichen.

Alles eine Frage der Bezahlung? 

Lehre und Bildung funktionieren überall auf der Welt ein bisschen anders, logisch, schließlich gibt es viele unterschiedliche Bildungssysteme und noch unterschiedlichere Arbeitsbedingungen. Auch die Vergütung des Lehrerberufs variiert von Land zu Land. Deutschland lag im Jahr 2020/21 auf dem dritten Platz der monatlichen Bruttoanfangsgehälter von Lehrer:innen in Europa. Während der deutsche Berufsanfänger im Schnitt 4511 Euro brutto verdiente, wurden Lehrer:innen in Albanien mit 353 Euro pro Monat vergütet. Ist also doch etwas dran an dem Vorurteil vom überbezahlten Lehrer? Bevor man voreilige Schlüsse zieht, sollte bedacht werden, dass die Bruttolöhne in Deutschland allgemein recht hoch ausfallen. Laut Bundesfinanzministerium blieben im Jahr 2022 nach allen Abzügen vom Bruttogehalt netto 66,1 Prozent übrig. Zudem müssen die entsprechenden Lebenshaltungskosten der unterschiedlichen Länder berücksichtigt werden. Hinzu kommt, dass deutsche Lehrer:innen im Laufe ihrer Berufsjahre lediglich im Mittelfeld landen, was die Bezahlung im internationalen Vergleich angeht. Laut der Teaching and Learning International Survey (TALIS) von 2018 waren 39 Prozent der rund 260 000 befragten Lehrkräfte aus 48 teilnehmenden OECD-Ländern und Volkswirtschaften mit ihrer Bezahlung zufrieden. Im Rahmen dieser Studie wurde zudem abgefragt, ob die Lehrer:innen sich von der Gesellschaft geschätzt fühlen. Nur 26 Prozent beantworteten diese Frage mit ja.

Was wir von anderen Ländern lernen können

Bevor wir die Ursachen für dieses deprimierende Ergebnis ergründen, reisen wir auf einen Kontinent, der Lehrer:innen einen ganz anderen Stellenwert einräumt: In Asien - vor allem in den Ländern China, Südkorea und Singapur gehört der Lehrerberuf zu den ehrenwertesten und erstrebenswertesten Professionen.

Quelle: China-Schul-Akademie

Das zeigt auch der Global Teacher Status Index aus dem Jahr 2018, der die gesellschaftliche Wertschätzung von Lehrer:innen in 21 Ländern der Welt verglich. In der Volksrepublik China gelten Lehrkräfte als genauso qualifiziert wie Mediziner. Professor Peter Dolton, Autor des Global Teacher Status Index, sieht in der Bewertung des Lehrerberufs einen Spiegel der jeweiligen Geschichte, Werte und Sitten der entsprechenden Kulturen. China beispielsweise wird seit vielen Jahrhunderten vom Konfuzianismus geprägt. Konfuzius predigte den Respekt vor Älteren und so wird diesen und somit den Lehrkräften auch heute noch ein hoher Status zuerkannt – auch wenn sie kein hohes Gehalt beziehen. Das zeigt: Der Status von Lehrer:innen ist nicht unbedingt dort am höchsten, wo sie am besten bezahlt werden. 

Ein gutes Beispiel ist Finnland, das Vorzeigeland in Sachen Bildungsfragen. Mister Pisa, wie Andreas Schleicher, der Chef der PISA-Studie häufig genannt wird, äußerte sich in einem Interview mit der Berliner Zeitung folgendermaßen über das „Geheimrezept“ der Finnen in puncto Bildung: 

„Sie schaffen es, hervorragende Lehrer für die Schule zu gewinnen – trotz mittelmäßiger Gehälter. Schulen in Finnland haben ein professionelles Management, das ist ein ganz wichtiger Punkt. Die Lehrer haben vielfältige Entwicklungsmöglichkeiten, aber auch die Verantwortung für die Lernergebnisse. Ein Drittel der Unterrichtszeit findet außerhalb der Schule statt. Die Atmosphäre ist kreativ, die Arbeit macht Spaß, auch den Schülern.“

Schleicher sieht bei den Ländern, die in der PISA-Studie 2022 die ersten 10 Plätze belegten vor allem eine Gemeinsamkeit: Der Status des Lehrerberufs orientiert sich nicht am Gehalt, vielmehr ist er die Anerkennung für einen intellektuellen und anspruchsvollen Beruf.

In Finnland bedeutet bereits die Aufnahme in das Lehramtsstudium eine große Wertschätzung. Laut dem Nationalen Zentrum für Bildung und Wirtschaft (NCEE) nehmen die Universitäten nur einen von zehn Lehramtsbewerbern auf und gelten damit als sehr selektiv.  

Unter den nordamerikanischen Ländern ist Kanada das Land, welches seit Jahren Spitzenplätze bei der PISA-Studie belegt. Die TALIS von 2018 zeigte, dass 63 Prozent der Befragten kanadischen Lehrer:innen sich von der Gesellschaft geschätzt fühlten. Das sind mehr als doppelt so viele Prozent wie beim befragten Durchschnitt. Im Nachbarland, den USA, waren es nur 36 Prozent. Auch hier hängt dem Lehrerberuf – wie in Deutschland – ein eher schlechter Ruf an. Und auch in den Vereinigten Staaten resultiert das schlechte Image in einem drastischen Lehrkräftemangel

Der Lehrerberuf in Deutschland bedarf einer Steigerung seiner intellektuellen Attraktivität 

Quelle: Spiegel

Aber worin liegt dieser schlechte Ruf begründet? In einer Studie der Vodafone Stiftung Deutschland, die im Spiegel aufgegriffen wurde, wurden die Deutschen unter anderem zu ihren Vorstellungen vom Berufsstand des Lehrers befragt. Dabei zeigte sich, dass 59 Prozent glauben, dass Lehrer:innen eine große Verantwortung tragen. 73 Prozent waren der Überzeugung, dass dies in der Gesellschaft auch ausreichend honoriert wird. Außerdem empfand ein Großteil der Befragten, dass Lehrer:innen sich nicht ausreichend bemühen würden, den Unterricht möglichst interessant zu gestalten. Dafür meinten 54 Prozent, dass Lehrkräfte häufig über ihre berufliche Belastung klagen würden, und nur 12 Prozent waren der Meinung, dass Lehrer:innen ihren Beruf lieben.

Auch wenn das Schulbarometer 2022 die letzte Aussage nicht ganz unterstreicht, kann es den Lehrkräften nicht verübelt werden, wenn sie angesichts der aktuellen Probleme im deutschen Bildungssystem nicht vollends für ihren Beruf brennen. Zwar ist der Lehrerberuf finanziell – auch im internationalen Vergleich – recht attraktiv, „aber auch ein gut bezahlter, sicherer Beamtenjob lockt die Menschen heute nicht mehr, wenn die Arbeitsbedingungen sonst nicht stimmen“, meint auch Andreas Schleicher. Weiter resümiert er: 

"Der Lehrerberuf ist in Deutschland intellektuell zu unattraktiv, und die Lehrer haben viel zu wenig die Gelegenheit, das zu tun, wofür sie eigentlich in den Beruf gegangen sind: nämlich jungen Menschen zu helfen, ihren Weg zu finden, und sie auf diesem Weg zu begleiten." 

Wir haben gesehen, dass andere Länder wie beispielsweise Finnland mit einem Konzept, bei dem Lehrer:innen mehr Freiräume besitzen, um eigenständige Unterrichtskonzepte zu entwickeln und zu erproben, sehr erfolgreich sind. Es besteht die Hoffnung, dass Reformen im deutschen Schulsystem auch hierzulande die Attraktivität des Lehrerberufs wieder steigern. Und unsere Reise hat gezeigt: Ein intellektuell attraktiver und anspruchsvoller Beruf geht in den meisten Fällen auch mit einem guten Image in der Gesellschaft einher. 

Was sind eure Ansichten zu diesem Thema? Habt ihr das Gefühl, dass euch von der Gesellschaft genügend Wertschätzung entgegengebracht wird? Lasst es uns gerne in den Kommentaren wissen!

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