Lehrerverbandspräsident Meidinger sorgt mit Forderung nach Migrationsquoten für Kontroverse

Von
Armend Kokollari
|
13
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January 2023
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Lehrerverbandspräsident Meidinger sorgt mit Forderung nach Migrationsquoten für Kontroverse

Berlin. "Wir haben ein Integrationsproblem in Deutschland" – Mit diesen Worten wendet sich der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, an die Verantwortlichen aus Politik und Gesellschaft und spricht sich für Quoten von Schüler:innen mit Migrationshintergrund an deutschen Schulen aus. Meidinger zu Folge würde die Klassenleistung ab einem Anteil von 35 Prozent an Kindern mit Migrationshintergrund in einer Klasse die Klassenleistung überproportional abnehmen. Die Bildungsdebatte in Bezug auf Migration und Integration entbrannte seitdem neu auf und fordert die Bildungs- und Sozialpolitik zum Handeln auf.

Schaut man sich die Zahlen des Mikrozensus aus 2021 an, die auf einer repräsentativen Befragung von rund 810.000 Personen basieren, stellt sich die Frage, wie eine flächendeckende Umsetzung der Migrationsquote stattfinden soll. Auswertungen zeigen, dass heute bereits mehr als ein Drittel (rund 39 Prozent) der Schüler:innen an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen in Deutschland über einen Migrationshintergrund verfügen. Wie genau ein Migrationshintergrund sich eigentlich definiert, ist ebenso unklar. Oft wird darunter verstanden, dass mindestens ein Elternteil nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren wurde. Die rechtliche Ausgestaltung einer solchen Quote wirft juristische Fragen auf. So darf laut Grundgesetz in Deutschland niemand aufgrund “seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauung benachteiligt oder bevorzugt werden”. Auch Schulen als öffentliche Institutionen müssen diese Gleichheit gewährleisten.

Wie Meidinger erklärte, benötige erfolgreiche Integration “verpflichtende vorschulische Förderung, flächendeckende Sprachstandtests und Migrationsquoten”. Seiner Auffassung nach gelinge Integration nicht, wenn zum Beispiel in Klassen an Brennpunktschulen 95

Prozent nichtdeutsche Schüler vertreten sind. Darüber, wie hoch die Quote genau sein sollte, äußerte sich Meidinger bisher nicht. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hingegen hält nichts von dem Vorschlag einer Migrationsquote. Sie glaube nicht, dass man "die Probleme mit Quoten löst", sagte sie in einem RTL-Interview. Wie Faeser betonte, müssten Problemviertel lokalisiert werden, in denen Bildung und Integration nicht funktionieren, um dann gezielte Maßnahmen zu ergreifen. Auch NRW-Landtagsabgeordnete Dilek Engin (SPD) spricht sich gegen den Vorschlag Meidingers aus. Ihrer Auffassung nach seien die Probleme im Schulsystem andere – Lehrkräftemangel, marode Schulen, überfüllte Klassen, nicht entschlackte Lehrpläne und eine defizitäre digitale Infrastruktur müssten angegangen werden, um ChancengleichheiVorsitzende des Grundschulverbands Edgar Bohnt an unseren Schulen zu gewährleisten. “Wir leben in Deutschland bereits seit langer Zeit in einer multikulturellen Gesellschaft. "Als Spiegelbild dessen ist ebenso selbstverständlich auch unsere Schülerschaft zusammengesetzt", bekräftigt sie. 

Jüngst positionierte sich CDU-Chef Friedrich Merz in der ZDF-Talkshow Markus Lanz zur Sicherheits- und Migrationspolitik an Schulen. Anlass dafür waren vor allem die Ausschreitungen und Angriffe in der Silvesternacht an verschiedenen Orten, darunter besonders in Berlin, gegenüber Rettungskräften und Polizei, wodurch eine Debatte über Migration und Rassismus ausgelöst wurde. Merz sieht mangelnde Integration als einen wesentlichen Grund für die Ausschreitungen. Für den CDU-Chef ist das Anlass zur verbalen Offensive: “Wir sprechen hier über Leute, die eigentlich in Deutschland nichts zu suchen haben”. Er fordert verbindliche Sprach- und Einschulungstests für alle Kinder in Deutschland, da Lehrer:innen in den Grundschulen “verbale Gewalt” erleben und verweist damit insbesondere auf arabischstämmige Familien. Lehrerverbandspräsident Meidinger stimmte Merz Aussagen zu: “Kinder trügen teilweise Einstellungen von zu Hause in die Schulen hinein und es komme vor, dass Väter sich weigerten, mit weiblichen Lehrkräften zu reden”. 

Der deutsche Grundschulverband kritisierte die Äußerungen von Merz. So entgegnete dessen Vorsitzender Edgar Bohn diese wie folgt: “Die zitierte Aussage und die Pauschalierung kann ich nicht bestätigen und halte sie für sehr überzeichnet und nicht zutreffend”. Ihm sei bekannt, dass es immer wieder vereinzelt Eltern gibt, die unabhängig von deren Status und Herkunft unangemessen gegenüber Lehrkräften der Grundschulen unabhängig von deren Geschlecht auftreten.

Ob die  Einführung einer Migrationsquote an Schulen realisierbar ist, bleibt vorerst offen. Verbände und Politiker:innen sind sich nach wie vor uneinig und die Bewertung des Vorschlags sorgt weiterhin für große Meinungsverschiedenheiten. Zuletzt wurde das Thema Integration auf einem Jugendgipfel in Berlin diskutiert, der im Nachgang der Silvester-Randale ins Leben gerufen wurde. Die dort vertretenen Experten aus der Integrations- und Sozialarbeit kamen zu dem Ergebnis, dass mehr finanzielle Mittel zur Präventionsarbeit in die Hand genommen werden müssen. Welche Vorschläge die anderen Bundesländer hierzu vorsehen, ist derzeit noch ungewiss.

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