Lesenlernen im 21. Jahrhundert: Daniel Iglesias im Interview über LaLeTu

Von
Marie-Theres Carl
|
23
.
September 2023
|
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Lesenlernen im 21. Jahrhundert: Daniel Iglesias im Interview über LaLeTu

(Quelle: Pixabay)

Wir konnten mit Daniel Iglesias, dem CEO von Digi Sapiens, ein Interview zum Lautlesetutor (LaLeTu) führen. In Zusammenarbeit mit dem Ernst Klett Verlag hat das Startup das Programm entwickelt. Es dient der Leseförderung und ist mit einer eigenen Sprachtechnologie ausgestattet, um die Leseleistungen von Schüler:innen zu analysieren und zu fördern. Es zielt darauf ab, das weitverbreitete Lesedefizit an deutschen Schulen zu bekämpfen, dass laut Digi Sapiens rund 20% der 15-Jährigen einfache Texte nicht verstehen können. Diese Schüler:innen könnten Schwierigkeiten haben, in einer Wissensgesellschaft wie der unseren erfolgreich zu sein. Daher lautet das erklärte Ziel: Diese Rate bis 2030 auf lediglich 5% zu reduzieren. Im Rahmen des Interviews haben wir Herrn Iglesias Fragen zu den pädagogischen, technischen und organisatorischen Aspekten dieses wegweisenden Projekts gestellt. 

Daniel Iglesias (Quelle: Digi Sapiens)

Lehrer News: Welche konkreten Herausforderungen im schulischen Kontext haben Sie identifiziert und wie adressiert das Projekt diese Herausforderungen?

Iglesias: Lautlese-Verfahren kommen im Unterricht aufgrund fehlender Zeit vielfach zu kurz. Auch der Lehrkräftemangel und die heterogenen Klassenstrukturen spielen hier mit hinein. Leseschwächen werden so nicht richtig erkannt oder gar gefördert mit zum Teil gravierenden Folgen für die schulische Laufbahn. Hier setzt der LaLeTu an: Er misst und analysiert die Leseflüssigkeit der Schüler:innen mit den Teilkompetenzen Lesefehler, Lesegeschwindigkeit und Stimmdynamik. Zudem unterstützt er die Lehrkräfte bei der Förderung ihrer Lerngruppen und bildet dazu die Diagnose- und Förderergebnisse im Zeitverlauf übersichtlich ab. 

Lehrer News: Welche pädagogischen Prinzipien und Methoden wurden in die Gestaltung von LaLeTu integriert, um sicherzustellen, dass es die Leseentwicklung der Schüler:innen unterstützt?

Iglesias: Dank einer großen Auswahl aus über 1.000 Kinder- und Jugendbüchern, den Lesetexten aus den Klett-Lehrwerken und einem wertschätzenden und motivierenden Feedback, ist die Grundlage für regelmäßiges Lesen gelegt. Auf das  Alter und Leseniveau angepasste Inhalte, spielerische Elemente und hilfreiche Einstellungen wie etwa farbliche Silbentrennungen, Zeilen- und Wortabstände oder Textgrößen helfen Schüler:innen bei der Bewältigung der individuellen Leseaufträge. 

Der LaLeTu verfügt über ein zweigliedriges Motivationsmodell: Medaillen, die nach jeder Sitzung die individuelle Leistung belohnen und Auszeichnungen, die erst langfristig mit Fleiß und Leistungszuwachs erreicht werden können.

Lehrer News: Wie können Lehrkräfte LaLeTu effektiv in ihren Unterricht integrieren und wie werden sie in der Anwendung geschult?

Iglesias: Die Anwendung ist einfach in den Unterricht zu integrieren: Die Lernenden bekommen von ihren Lehrkräften Texte oder Lesezeit zugewiesen. Die Texte lesen die Kinder laut vor – dazu braucht das Kind einen Computer mit Mikrofon und WLAN-Anschluss. Das laute Vorlesen geschieht in einem geschützten Bereich, in dem die Lernenden die Texte ohne starke Hintergrundgeräusche laut vorlesen. Der LaLeTu ist ein Werkzeug für die konzentrierte Einzelarbeit. 

Die Nutzung funktioniert für Schüler und Lehrkräfte sehr intuitiv. Innerhalb der Anwendung gibt es zusätzlich kleine Tutorials mit Tipps, um den Einsatz des LaLeTu optimal in den Unterrichtsalltag integrieren zu können. Zudem bietet der Ernst Klett Verlag Fortbildungen und Beratungen durch seinen Außendienst an.

Lehrer News: Welche Möglichkeiten bietet LaLeTu für die Individualisierung des Leseunterrichts? Wie passt es sich den Bedürfnissen unterschiedlicher Schüler:innen an?

Iglesias: Dank der ausführlichen Analyse der Laut-Leseleistungen kann die hinter der Anwendung stehende Sprachtechnologie exakt das Leseniveau der Schüler:innen analysieren und differenzierende Fördervorschläge machen, sprich individuell an das Alter und Leseniveau angepasste Lesetexte vorschlagen. 

Lehrkräfte können aus zwei Produkten auswählen: LaLeTu Diagnose und LaLeTu Fördern. In LaLeTu Diagnose sind 3 Lesetests enthalten. Damit testen Lehrkräfte an drei Zeitpunkten im Jahr mit vorgegebenen Texten die Lesefähigkeit ihrer Lerngruppen. Die Texte passen genau zur Klassenstufe und zum Test-Zeitpunkt im Schuljahr, um zu ermitteln, was die Kinder bereits können.

In Laletu Fördern sind dann die umfangreichen Bibliotheken enthalten. Damit kann man beliebig viele Kinder fördern. Die Schulen kaufen Minutenpakete, die individuell aufgebraucht werden können. Wir empfehlen, leseschwache Kinder 3 mal 15 bis 20 min pro Woche zu fördern. 

Die Auswahl unterschiedlicher Aufgabentypen und das Zuweisen passender Texte kann dabei durch die Lehrkraft selbst oder vollständig automatisch und adaptiv durch den LaLeTu erfolgen. 

Lehrer News: Wie hat die Zusammenarbeit zwischen Bildungs- und Technologieexpert:innen zur Entwicklung von LaLeTu beigetragen?

An der Entwicklung und Evaluation des LaLeTu beteiligt waren neben den Redaktionen des Ernst Klett Verlages auch Leseforscher:innen der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz und der Goethe-Universität Frankfurt. Als Experten im Bereich des digitalen Lesens haben sie uns sowohl bei der Entwicklung der Sprachtechnologie unterstützt als auch die deutschlandweite Testphase wissenschaftlich begleitet. Die Ergebnisse der Evaluation sowie die Rückmeldungen aus dem laufenden Betrieb werden kontinuierlich in die Weiterentwicklung des LaLeTu mit einfließen.

Lehrer News: Könnten Sie die Technologie hinter LaLeTu näher erläutern? Welche Arten von künstlicher Intelligenz und Sprachtechnologie kommen zum Einsatz?

Iglesias: Die hinter dem LaLeTu stehende, patentierte Sprachtechnologie haben wir vollständig selbst entwickelt. Sie basiert auf speziell für den Einsatz in der Leseanalytik trainierten Modulen für die Spracherkennung (inhaltliche Erkennung) und Sprechmustererkennung (prosodische Eigenschaften) und den Natural Language Processing (NLP) Modulen, welche die Texte vorverarbeiten und beispielsweise die semantische und syntaktische Textkomplexität messen.

Die Module basieren auf modernsten Neuronalen Netz Architekturen (Transformer), die mit mehreren tausend Stunden annotierter Sprach- / Lesedaten trainiert werden. Herkömmliche Spracherkennungsysteme können dabei nicht zum Einsatz kommen, da diese nicht für Kinderstimmen geeignet sind. Zudem sind sie auf die Erkennung der Intention und nicht auf die genaue Fehlertranskription ausgerichtet. Hinzu kommt das diese Module sehr stark auf Fehlertoleranz und Robustheit optimiert werden, um dem Einsatz in der Praxis des Schulbetriebs gewachsen zu sein. Unsere Technologie ist die erste Softwarelösung weltweit, die für den Breiteneinsatz geeignet ist, um die Leseflüssigkeit auf Grundlage von deutschen Kinderstimmen zu messen. Die Algorithmik ist eingebettet in hochverfügbare Servertechnologien, die auch auf sehr große Systemlasten skaliert werden können. Die Technologie ist aber kein Selbstzweck. Sie soll Lehrkräfte entlasten und unterstützen – keineswegs ersetzen.

Lehrer News: Wie wurde die KI in LaLeTu trainiert, um die Leseleistungen der Schüler:innen zu analysieren und Empfehlungen zur Verbesserung zu geben?

Iglesias: Es gab im Vorfeld eine bundesweit angelegte Testphase, an der über 6.000 Schüler:innen von mehr als 400 Schulen teilgenommen haben. Diese bilden ein breites Spektrum an Kinderstimmen mit unterschiedlichsten Dialekten und Akzenten ab. Mit der Liveschaltung lernt der LaLeTu immer weiter dazu. 

Lehrer News: Welche Datenschutz- und Sicherheitsmaßnahmen wurden in LaLeTu implementiert, insbesondere in Bezug auf die Daten der Schüler:innen?

Iglesias: Im LaLeTu werden grundsätzlich keine personenbezogenen Daten der Schüler:innen erfasst und die Server stehen in Deutschland. Das System wurde von einem renommierten Dienstleister einem sogenannten „Penetration Test“ unterzogen. Hierbei wurde der LaLeTu bewusst Hackerangriffen ausgesetzt um Schwachstellen zu identifizieren. Ferner haben wir durch einen Fachanwalt für IT-Recht eine Datenschutzfolgeabschätzung durchführen lassen, die keine relevanten Risiken zutage brachte. Wir berücksichtigen die Vorgaben des OWASP und CIS und haben eine strenge Leitlinie zur Informationssicherzeit und Datenschutz erarbeitet. Selbstverständlich entspricht die Verwaltung der Schüler-, Klassen- und Auswertungsdaten ebenfalls höchsten europäischen DSGVO-Anforderungen.

Lehrer News: Welche Rolle spielt die Anpassbarkeit von LaLeTu für Lehrkräfte und Schulen? Wie können sie die Plattform an ihre spezifischen Anforderungen anpassen?

Iglesias: Unser Ziel ist es, dass Lehrkräfte mit Hilfe des Lautlesetutors ihre Unterrichtszeit auf das Wesentliche konzentrieren können: Auf die individuelle, persönliche und emphatische Förderung und Forderung ihrer Schüler:innen. Schulen und Lehrkräfte  entscheiden selbst, wie intensiv sie den Lautlesetutor einsetzen. Und wie bereits erwähnt, können die Lehrkräfte zwischen einem manuellen oder automatischen Modus wählen, was die Anlage von Aufgaben und die Zuweisung der fünffach differenzierten Texte angeht. 

Lehrer News: Welche Zukunftspläne gibt es für die Weiterentwicklung von LaLeTu, sowohl in Bezug auf Funktionen als auch auf die Zielgruppe?

Iglesias: Wir sind mit dem LaLeTu für die Klassen 2 bis 10 gestartet. Gegenwärtig entwickeln wir die Version für Klasse 1. Wir pflegen einen engen Austausch mit den Nutzer:innen. Mit den Erkenntnissen aus dem laufenden Betrieb entwickeln wir die Funktionen kontinuierlich weiter. So können sich Nutzer des Lautlesetutors sicher sein, dass sie sich für ein komfortables und wirksames Werkzeug entschieden haben. 

Neben der Leseflüssigkeit gibt es aber noch weitere wichtige Bereiche der Lesekompetenz, die wir zukünftig mit einzigartigen, besonders innovativen Lösungen im LaLeTu fördern möchten.

Lehrer News: Was hat Sie dazu inspiriert, LaLeTu ins Leben zu rufen, und welche Vision verfolgen Sie damit in Bezug auf die Bildung?

Iglesias: Wir wollen unabhängig von Herkunft Bildungsaufstieg fördern und die Jugend unseres Landes nachhaltig für die Herausforderungen ihrer Zeit wappnen. Eine gute Lesekompetenz ist in einer Wissensgesellschaft unverzichtbar. Dies gilt insbesondere in Zeiten von KI und Robotisierung, die dafür sorgen, dass der Lebensunterhalt für Geringqualifizierte immer schwieriger wird. Ultimativ wollen wir also durch einen am Menschen orientierten Einsatz von Technologie dazu beitragen, Wohlstand und gesellschaftliche Teilhabe zu sichern. 

Wie wurde das Feedback von Lehrkräften und Schüler:innen in die Entwicklung von LaLeTu einbezogen, und welche Rolle spielte es bei der Gestaltung der Plattform?

Die Zusammenarbeit mit den Lehrkräften und ihre Erkenntnisse waren von Anfang an sehr wichtig. Nicht nur benötigten wir für die Entwicklung eine große Menge an Trainingsdaten, sondern darüber hinaus auch die Expertise von hochspezialisierten Computerlinguisten, der Leseforschung und der Erfahrungen aus der Lehrmaterialentwicklung.

Lehrer News: Welche langfristigen Ziele verfolgen Sie mit LaLeTu in Bezug auf die Verbesserung der Lesekompetenz von Schüler:innen in Deutschland?

Iglesias: Mit dem LaLeTu wollen wir erreichen, dass Schüler:innen in Deutschland bei zukünftigen Leistungserhebungen grundsätzlich besser abschneiden. Es sollen so wenig Kinder wie möglich die Grundschule ohne ausreichende Lesekompetenz verlassen und international wollen wir den Abstand zur Leistungsspitze verkleinern.

Lehrer News: Vielen Dank für das Gespräch!

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