Alarmierende Umfrageergebnisse: Zunahme der Gewalt gegenüber Lehrkräften, besonders Gesamtschulen sind betroffen

Von
Carolin Kunkel
|
18
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November 2023
|
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Alarmierende Umfrageergebnisse: Zunahme der Gewalt gegenüber Lehrkräften, besonders Gesamtschulen sind betroffen

Gewalt und Hass nehmen an Schulen in Deutschland seit der Pandemie immer mehr zu. (Quelle: Canva)

Düsseldorf. Gewalt und Bedrohungen gegenüber Lehrkräften nehmen zu. Laut einer Erhebung des Philologenverbands Nordrhein-Westfalen sind Lehrer:innen sowohl von  verbalen als auch physischen Angriffen, sexualisierter Gewalt, Cyber-Mobbing sowie anderen Formen von Übergriffen betroffen. Die Umfrage ergab, dass fast die Hälfte der Gymnasiallehrkräfte (47 Prozent) und über drei Viertel der Gesamtschullehrer:innen (76 Prozent) in den letzten Jahren persönlich von Gewalt betroffen waren.

Gesamtschulen sind laut der aktuellen Umfrage, bei der etwa 1500 Lehrkräften teilgenommen haben, im Vergleich zu Gymnasien vermehrt von Übergriffen betroffen. 42 Prozent der Befragten Gesamtschullehrkräfte haben angegeben, dass Gewalt dort häufig bis sehr häufig vorkommt. Insbesondere die Art der Übergriffe variiert zwischen den Schulformen: An Gymnasien stehen vor allem Beleidigungen und Cyberdelikte im Vordergrund, während an Gesamtschulen vermehrt körperliche Übergriffe gemeldet werden.

Diese Tendenzen spiegeln sich auch im Sicherheitsgefühl der Lehrkräfte wider. An Gesamtschulen gibt die klare Mehrheit von 63 Prozent an, dass sich ihr subjektives Sicherheitsgefühl am Arbeitsort in den letzten drei Jahren verschlechtert hat, im Vergleich zu 36 Prozent an Gymnasien. Die Übergriffe beeinflussen zudem das Handeln der Lehrkräfte: An Gesamtschulen geben 45 Prozent an, dass sie Auswirkungen auf ihre Arbeit haben, während es an Gymnasien 28 Prozent sind.

Gemäß den Angaben des nordrhein-westfälischen Innenministeriums stieg die Gewalt an Schulen im letzten Jahr um 22 Prozent im Vergleich zum Vorjahr der Pandemie (2019). Die Mehrheit der registrierten Delikte betrifft Diebstähle, Raub, Erpressung und Körperverletzung. Besorgniserregend ist, dass sich die Fallzahlen nach der Pandemie zwischen 2021 und 2022 im schulischen Umfeld auf 9300 verdoppelt haben.

Die Umfrage zeigt auch, dass die Täter:innen in den meisten Fällen Schüler:innen sind, gefolgt von Eltern. Elterngespräche werden dabei als besonders belastend empfunden. In Reaktion darauf wünschen sich Lehrkräfte verstärkte Unterstützung seitens der Schulleitung und des Kollegiums. Die erhobenen Stimmen der befragten Lehrkräfte fordern, das Problem offensiv anzusprechen und konkrete Maßnahmen wie Einlasskontrollen, Videokameras, Sicherheitsdienste sowie den Einsatz von Gewaltschutzbeauftragten zu ergreifen. „Die Probleme müssen laut ausgesprochen werden, auch von der Politik“, erklärte eine Lehrkraft in der Umfrage.

Die Vorsitzende des Philologenverbands in Nordrhein-Westfalen, Sabine Mistler, äußerte sich besorgt über die Ergebnisse der Umfrage: “Uns haben die Zahlen und Schilderungen schockiert“. Ihrer Meinung nach verdeutlichen sie klar, dass dringend Maßnahmen ergriffen werden müssen.

Die Gewaltproblematik betrifft nicht nur Schulen in Nordrhein-Westfalen, sondern scheint insgesamt deutschlandweit zuzunehmen. Erst letzte Woche gab es zwei Großeinsätze in Hamburg, bei denen Lehrkräfte mit vermeintlichen Waffen bedroht wurden, und einen in Offenburg, Baden-Württemberg, wo ein Schüler mit einer Schusswaffe tödlich verletzt wurde (Lehrer-News berichtete).

Daraufhin reagierte auch die Hamburger Lehrer:innenkammer. Der Vorsitzende der Lehrer:innenkammer Kai Kobelt fordert Konsequenzen. In der Stellungnahme heißt es: “Die Gewalt gegenüber Beschäftigten an Schule muss enttabuisiert werden.” Konkrete Handlungen dagegen sollten nicht mehr nur als pädagogische Aufgabe der Betroffenen gesehen werden. Stattdessen wird gefordert, dass beispielsweise Sozialarbeiter:innen an allen Schulen eingesetzt werden, um Gewaltprävention zu ermöglichen.

Die Schüler:innenvertretung unterstreicht die Probleme durch steigende Jugendkriminalität in Hamburg. Sie warnt vor rassistischen Reaktionen und fordert verstärkte Präventionsarbeit, Gewaltpräventionsprogramme und sozialpädagogisches Personal an Schulen. Die Ereignisse von Offenburg verstärken die Forderungen nach sofortigen Maßnahmen. Laura Dolud, stellvertretende Vorsitzende der Schüler:innenkammer Hamburg, äußerte sich zu den Reaktionen auf die Vorfälle kritisch: „Momentan wird an Schulen erfahrungsgemäß erst reagiert, wenn schon etwas passiert ist. Echte Präventionsarbeit muss vorher anfangen. Wir brauchen großflächige, von Experten erarbeitete Gewaltpräventionsprogramme, die an allen Hamburger Schulen verpflichtend Anwendung finden.”

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