Aber bitte mit Konsens – Körperkontakt in der Schule souverän meistern

Von
Annika Werner
|
12
.
September 2023
|
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Aber bitte mit Konsens – Körperkontakt in der Schule souverän meistern

Im Unterricht ist Körperkontakt nicht immer vermeidbar. Ein Abklatschen im Sportunterricht kann auch das Selbstbewusstsein stärken. (Quelle: Canva)

Ein auf die Schulter klopfen oder Hände abklatschen, für gute Leistungen, ein Korrigieren der Haltung beim Sport, um Verletzungen zu vermeiden, eine trostspendende Umarmung, um Mitgefühl auszudrücken – Diesen Dingen stehen Lehrkräfte fast tagtäglich gegenüber. Da kommt häufig die Frage auf, inwieweit Körperkontakt in der Schule erlaubt ist. Wo ist die Grenze und wie können Lehrkräfte souverän mit Körperkontakt umgehen? Wir zeigen euch in diesem Artikel die rechtliche Grundlage und nennen euch einige Beispiele und Grundregeln, die ihr im Unterricht berücksichtigen könnt.

Rechtliche Grundlagen über den Körperkontakt in der Schule

Um die rechtlichen Grundlagen über die Berührung in der Schule besser abwägen zu können, ist ein Blick in das Grundgesetz sinnvoll. Artikel 2 des Grundgesetzes sagt, “Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In dieses Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden”. 

In einem Interview von dem Deutschen Schulportal der Robert Bosch Stiftung mit dem Diplom-Juristen Stephan Rademacher geht heraus, dass die Grundgesetze Abwehrrechte gegen staatliches Handeln seien und die Privatpersonen (in dem Fall die Schüler:innen) schützen sollen. Lehrkräfte seien staatlich handelnde Personen, die ohne stützende Rechtsgrundlage die Schüler:innen nicht anfassen und berühren dürfen. 

Dennoch haben die Lehrkräfte eine Aufsichtspflicht, durch die es manchmal nicht vermeidbar ist, die Schüler:innen zu berühren. Bei einer Prügelei auf dem Schulhof oder wenn ein:e Schüler:in sich selbst oder andere Schüler:innen in Gefahr bringen würde, müsse die Lehrkraft auf Grund der Aufsichtspflicht einschreiten und die Schüler:innen auseinanderbringen und schützen. “Zur Aufsichtspflicht gehört im Rahmen des Möglichen und des Zumutbaren auch das Recht und die Pflicht zu einem körperlichen Eingreifen”, so Rademacher im Interview. Streitschlichtung oder andere Fälle, in denen die Absicht nicht die körperliche Züchtigung sei, sondern die Deeskalation der Schüler:innen ist, stellen keine Straftat dar. 

Was heißt das jetzt genau?

Ein generelles Verbot von Körperkontakt ist an einer Schule aufgrund der Aufsichtspflicht also gar nicht durchsetzbar. Neben zahlreichen Studien, die dieses Thema behandeln, müssen die Lehrkräfte letztendlich in solchen Situationen, wie zum Beispiel bei einer Streitschlichtung, etwas Fingerspitzengefühl beweisen. Häufig sind es Einzelfallentscheidungen, bei denen es keinen festgeschriebenen Ablaufplan gibt und man sich nicht immer an den Leitfaden halten kann. Sollten die Schüler:innen Hilfe benötigen oder sich verletzen, gilt der Körperkontakt als berechtigt, so auch die Informationen des Beamten Infoportal. Wenn erzieherische oder pädagogische Maßnahmen erfüllt werden, sei der Körperkontakt von Lehrkräften zu Schüler:innen in der Regel ebenfalls zulässig. Dennoch sollte, auch aus Respekt voreinander und aus Schutz von Grenzüberschreitungen, nach Möglichkeit der Körperkontakt zu den Schüler:innen vermieden werden. An dieser Stelle legen wir euch unseren Artikel über die Präventionen von sexueller Gewalt an Schulen ans Herz. In der Broschüre der KMK über den Kinderschutz in der Schule findet ihr Beispiele für einen Verhaltenskodex über den Umgang mit Schüler:innen 

Souveräner Umgang mit Körperkontakt im Unterricht 

Damit ihr einen Überblick über den Umgang mit Körperkontakt im Unterricht habt, stellen wir euch Situationen vor, in denen Körperkontakt häufig nicht vermieden werden kann und zeigen euch, wie ihr vorgehen könnt, um die Situation souverän zu meistern. 

Allgemeine Schulsituationen und klassischer Unterricht 

In einer klassischen Unterrichtsstunde in den Fächern Deutsch, Englisch, Mathematik, Naturwissenschaften oder weiteren Lernbereichen ist Körperkontakt in der Regel nicht notwendig. Auch hierbei sollten die Lehrkräfte Fingerspitzengefühl unter Beweis stellen. Wenn sie merken, dass ein:e Schüler:in beispielsweise während einer Klausur nervös wird, kann ein motivierendes Klopfen auf die Schulter oder auf die Hand bei dem:der Schüler:in helfen. Auch gegen ein Händeschütteln oder einen High-Five ist grundlegend nichts einzuwenden. Sicherheitshalber sollte jegliche Form von Körperkontakt dennoch mit den Schüler:innen besprochen werden und alles sollte mit Konsens geschehen. 

Wenn die Situation aufkommt, dass eure Schüler:innen eure Hilfe und den platonischen körperlichen Kontakt zu euch suchen, könnt ihr, ohne ihre Bedürfnisse nieder zu machen oder kleinzureden, darauf hinweisen, dass ihr ein offenes Ohr für sie habt. Der Körperkontakt sollte allerdings aufgrund des gegenseitigen Respekts und der professionellen Distanz vermieden werden. Gegen trostspendende Worte oder ein gewünschtes behutsames Drücken der Hand sollte dennoch nichts einzuwenden sein. 

Sportunterricht und AG’s

In einigen Sportarten ist der Körperkontakt beinahe unvermeidbar. Beispielsweise bei einer Unterrichtsstunde zum Turnen, bei AG’s wie Tanzen oder Kickboxen oder beim Schwimmunterricht. Oftmals zeigen die Lehrkräfte allein, wie eine Übung funktioniert. In einigen Sportarten, wie zum Beispiel beim Kampfsport oder beim Kickboxen, ist zur richtigen Darstellung und Ausführung der Übung häufig eine zweite Person erforderlich. Auch beim Tanzen ist der Körperkontakt nicht immer vermeidbar. Je nach Tanzart, wie bei den Standardtänzen, kann eine zweite Person für die Darstellung des Tanzes erforderlich sein. 

In keinem anderen Unterrichtsfach ist die Verletzungsgefahr so hoch wie beim Sportunterricht. Laut einer Studie zu Kinderunfällen in Deutschland, durchgeführt vom österreichischen KFV (Kuratorium für Verkehrssicherheit) in Zusammenarbeit mit der Deutschen Stiftung Sicherheit im Sport aus dem Jahr 2022, verletzen sich Kinder in Deutschland im Schulsport mit 31 Prozent am häufigsten.

Um Verletzungen zu vermeiden, die nicht durch einen an den Kopf geworfenen Ball oder das Schubsen eines anderen Kindes entstanden sind, ist ein bewusstes Aufwärmen der Muskulatur, die richtige Ausführung von Übungen und Hilfestellungen von den Lehrkräften unerlässlich. Doch gerade bei den Hilfestellungen von den Lehrkräften kommt wieder die Frage auf: Darf ich meine Schüler:innen im Sportunterricht berühren?

Eins vorweg: Körperkontakt sollte vor allem im Sportunterricht immer angekündigt werden. 

In diesem Lehrer News Artikel haben wir über Kinderbücher geschrieben, die wichtige Botschaften vermitteln – darunter auch ein Buch über den Körperkontakt im Sportunterricht. Die Schüler:innen sollten vor allem im Sportunterricht die Möglichkeit haben, ihre eigenen Grenzen zu setzen und der Körperkontakt durch Lehrkräfte sollte nur mit Konsens erfolgen. Dabei könnt ihr beispielsweise vor jeder Sportstunde, beziehungsweise in Abhängigkeit von der Art des Sports, die einzelnen Schüler:innen fragen, ob sie heute Unterstützung brauchen oder haben möchten und ob es für den Fall der Fälle in Ordnung wäre, sie bei Hilfestellungen zu berühren. Wenn es doch einmal passieren sollte, dass ein:e Schüler:in berührt wurde, ist eine kurze, aber aufrichtige Entschuldigung sinnvoll und angebracht. 

Der richtige Umgang mit Körperkontakt im Unterricht ist etwas, was viel Fingerspitzengefühl, Empathie und Sozialkompetenzen der Lehrkräfte benötigt. Nach rechtlicher Grundlage dürfen Lehrkräfte Schüler:innen nur auf Grundlage ihrer Aufsichtspflicht anfassen. Da Lehrkräfte allerdings auch ein wichtiger und beständiger Teil des Lebens der Schüler:innen sind, entwickeln sie über die Zeit natürlich auch eine gesunde Lehrer-Schüler-Beziehung. Sie verbringen in der Regel über Jahre hinweg viele Stunden miteinander. Für viele Schüler:innen sind Lehrkräfte nicht nur Menschen, die einem Dinge beibringen, die man noch nicht weißt, sondern können auch Ansprechpartner, Vertrauensperson und eine emotionale Unterstützung sein und leisten einen wichtigen Beitrag für die persönliche Entwicklung. Aus diesem Grund sollte Körperkontakt im Unterricht auch eine Ermessenssache sein, welche dennoch die Grenzen der Schüler:innen und der Lehrer:innen respektiert und immer angekündigt werden sollte.

Wie handhabt ihr den Körperkontakt im Unterricht? Schreibt es uns gerne in die Kommentare!

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