Die Vertretungsstunde: So bringt ihr der Klasse Streitgespräche näher

Von
Viola Hegner
|
28
.
July 2023
|
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Die Vertretungsstunde: So bringt ihr der Klasse Streitgespräche näher

Streit – kein so schönes Thema, richtig? Die meisten von uns verbinden mit Streit etwas Negatives. Dabei gehört streiten nicht nur zum Leben dazu, es stärkt auch den eigenen Charakter, fördert die Entwicklung und schafft nicht zuletzt neue Sichtweisen und Perspektivwechsel. 

Aber wie streitet man eigentlich richtig? Oftmals gehen beide Parteien mit negativen Gefühlen aus einem Streit, da die Aussagen sie gegenseitig verletzt haben. Dabei ist es meist das Ziel aller Beteiligten, die eigene Meinung zu kommunizieren und am Ende einen fairen Kompromiss zwischen den verschiedenen Standpunkten zu finden. 

Doch “richtig Streiten" bringt uns eigentlich niemand bei. Argumente zu entwickeln und so rüberbringen zu können, dass sie verstanden werden und fundiertes Wissen wiedergeben, das will gelernt sein. Und kann vielseitig angewendet werden, ob bei privaten Diskussionen, in der Schule oder am späteren Arbeitsplatz. Es ist also eine gute Idee, schon früh mit dem Trainieren von “richtigem Streiten” anzufangen. Wenn ihr also mal wieder eine Vertretungsstunde habt und nicht wisst, wohin mit der Klasse, gibt euch dieser Artikel vielleicht etwas Inspiration. 

Das Streitgespräch: Wichtige Kompetenzen für Schule und Privatleben 

Das Streitgespräch ist eine Diskussion, bei der Einzelpersonen oder Gruppen unter gegebenen Rahmenbedingungen entweder ihren eigenen Standpunkt, oder eine vorgegebene Meinung vertreten. Ganz wichtig dabei ist aber zu beachten, dass es sich hierbei nicht um einen echten Streit handelt. Eine persönliche Ebene, Beleidigungen und Vorurteile sollten dringend außen vor gelassen werden, denn es geht vor allem um das Trainieren einer möglichst differenzierten Argumentation, ganz unabhängig von der eigenen Person.

Warum ist es aber wichtig, Streitgespräche im Unterricht zu trainieren? 

Streitgespräche begegnen Schüler:innen im Alltag immer wieder. Ob zu Hause, in der Schule, in Talkshows oder im Internet. Das Behandeln dieser Thematik im Unterricht bietet somit nicht nur eine große Realitätsnähe, sondern ist auch eine Methode, den Kindern eine Handlungsorientierung zu vermitteln. Wie verhalte ich mich richtig in einer Diskussion, sodass ich meine Argumente konkret und sachlich ausdrücken kann und die gegenüberliegende Partei nicht persönlich angreife? Das kann mit geführten Streitgesprächen geübt werden.Schüler:innen lernen in diesen Diskussionen außerdem, Urteilskompetenzen zu beweisen, denn sie müssen Positionen begründen und Argumente entwickeln und abwägen, auch wenn diese nicht immer ihrer eigenen Meinung entsprechen. Damit entsteht ein Perspektivwechsel und dieser stärkt die kommunikativen Kompetenzen. 

Aber natürlich sind eure Schüler:innen keine Berufspolitiker:innen und haben mit Rhetorik vermutlich wenig Berührungspunkte. Um sie nicht zu überfordern, ist es deshalb sehr wichtig, sie vorab auf die Diskussion vorzubereiten und verschiedene Strategien für die Umsetzung zu erarbeiten. 

Streiten lernen im Unterricht: So gelingt's

Im ersten Schritt ist es für eine Heranführung an das Thema wichtig, den Begriff “Streitgespräch” klar zu definieren und von dem üblichen, privaten “Streit” abzugrenzen, denn in der Stunde sollen ja keine persönlichen Konflikte ausgetragen werden. Damit schafft Ihr einen sicheren Rahmen für eure Schüler:innen, ihre Argumente selbstbewusst vortragen zu können und eine respektvolle Art des Diskutierens zu lernen.

Damit das gelingt, sammelt ihr mit der Klasse am besten verschiedene Merkmale eines Streits, so wie die Schüler:innen ihn aus dem Alltag kennen. Das können zum Beispiel verschiedene Gefühle als Auslöser, ein besonderer Sprachgebrauch und vor allem Argumente als Diskussionswaffe sein. Anschließend vergleicht die Klasse diese Merkmale mit denen eines Streitgesprächs: Die Argumente bleiben die gleichen, aber die persönliche Ebene fällt weg und die eigene Meinung wird sachlicher und fundierter vermittelt. Am Ende sollte für eure Schüler:innen klar sein: In einem Streitgespräch möchte ich mit meinen Argumenten überzeugen, ohne die andere Partei zu verletzen. 

Als zweiten Schritt solltet ihr den Aufbau der Diskussion klarstellen. Jede Partei erstellt im ersten Schritt eine These, auf welcher sie ihre Argumentation aufbaut. Um diese begründen zu können, braucht jede Seite eigene Argumente. An dieser Stelle solltet ihr auch den Aufbau und die Funktionsweise eines Arguments besprechen, denn nicht jedes Argument ist gleich schlagkräftig. Um besonders überzeugend zu sein, braucht ein Argument vor allem Beispiele und Belege. Faktenbasierte Argumente haben einen höheren Stellenwert.

Ziel der Schüler:innen sollte es außerdem sein, die einzelnen Argumente möglichst zu werten und im Verlauf des Gesprächs zu steigern, sodass die überzeugendsten Punkte am Ende angebracht werden können. Darüber hinaus ist es wichtig, dass die einzelnen Ausführungen nicht einfach aneinandergereiht werden, sondern die Gesprächspartner während der Diskussion auf die Argumentation der Gegenseite eingehen und diese im Idealfall widerlegen können. 

Die Diskussion kann auf verschiedene Weise ein Ende finden, auch das solltet ihr den Schüler:innen näherbringen. Denn nicht immer gibt es einen Gewinner und Verlierer, auch Kompromisse und Einigungen der unterschiedlichen Positionen sind natürlich möglich und gerne gesehen. 

Anschließend ist es nun so weit, das Thema des Streitgesprächs bzw. die einzelnen Positionen vorzustellen. Wenn ihr möchtet, könnt ihr das als Lehrkraft übernehmen und z.B. politische Themen, Eltern-Kind Streitsituationen oder andere Konfliktbegegnungen vorbereiten. Wichtig ist es, euren Schüler:innen Material an die Hand zu geben, denn nicht jede:r kennt sich mit allen Themen gleich gut aus. Vor allem, wenn es um politische oder wissenschaftliche Auseinandersetzungen geht, ist es unabdingbar, mit genügend vorbereitendem Material eine faire Wissensbasis für alle Schüler:innen zu schaffen.

Eine weitere Möglichkeit wäre es jedoch, die Schüler:innen selbst überlegen zu lassen, welche Streitsituationen und Positionen sie darstellen wollen. Das können ihre eigenen Meinungen sein, oder aber erfundene Charaktere und Diskussionspunkte. So wird eure Klasse selbst kreativ und sammelt gemeinsam verschiedene Erfahrungen aus ihrer Lebenswirklichkeit. Dabei können die Schüler:innen auch gleich eine Wertung abgeben, welche Situationen sich für das Vorführen eines Streitgesprächs eignen. 

Haben sich alle auf Streitthemen geeinigt, dann geht es als nächstes daran, die restlichen Rahmenbedingungen festzulegen: Wie lange sollen die einzelnen Diskussionsrunden dauern und wer ist am Gespräch beteiligt? 

Für die Umsetzung des Streitgesprächs ist es hilfreich, die Schüler:innen in Gruppen einzuteilen. Je nach Aufgabenstellung und Klassengröße bieten sich hier verschiedene Optionen: 

Auch für die Art der Gruppeneinteilung gibt es verschiedene Möglichkeiten: 

Wichtig dabei zu beachten: Die Dialogpartner oder -gruppen sollten etwa gleich stark sein, sonst ist zu früh klar, wer die Diskussion “gewinnt” und das Streitgespräch wird schnell einseitig. 

Damit alles mit rechten Dingen zugeht, solltet ihr am besten noch einen neutralen  Diskussionsleiter oder Moderator festlegen. Dies könnt entweder ihr selbst sein, oder aber eine:r der Schüler:innen. Der Moderator sollte während dem Gespräch darauf achten, dass alle Dialogsparteien möglichst abwechselnd zu Wort kommen und eine ausgewogen verteilte Sprechzeit haben. Außerdem sorgt der Moderator dafür, dass die Diskussion nicht zu hitzig wird und keiner der Teilnehmer persönlich angegriffen oder verletzt wird. 

Ist das geregelt, kann es losgehen. Aber seid nicht enttäuscht, wenn nicht auf Anhieb alles klappt. Gebt euren Schüler:innen etwas Zeit, sich in die Thematik einzufinden, am Anfang fällt eine erzwungene Diskussion vielen schwer. 

Die Nachbesprechung: Wer kann am besten streiten?

Nachdem die Streitgespräche beendet sind, ist es sinnvoll, mit der Klasse eine Nachbesprechung abzuhalten. Dabei reflektieren eure Schüler:innen selbst die Gespräche noch einmal und ihr besprecht, was möglicherweise schiefgelaufen ist. Dabei könnt nicht nur ihr, sondern auch die "Zuschauer" ihre Beobachtungen und Notizen mit einbringen und die wichtigsten und besten Argumente gemeinsam noch einmal analysieren. Das Streitgespräch kann in diesem Schritt auch bewertet werden, damit die Gesprächsteilnehmer:innen Feedback erhalten können. Ob nur von euch oder den Schüler:innen, das bleibt euch überlassen. Bewertungskriterien, nach denen ihr und eure Klasse vorgehen könnt, sind beispielsweise: 

Sucht ihr noch andere Ideen für eure Vertretungsstunde? Hier haben wir einen Artikel für euch, wie ihr das Thema AGBs in einer Vertretungsstunde spielerisch vermitteln könnt. 

Was ist eure Erfahrung mit Streitgesprächen und Diskussionen im Unterricht? Habt ihr weitere Tipps für eure Kolleg:innen? Dann schreibt sie gerne in die Kommentare. 

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