Erinnerung wachhalten: Heutige Wege der Holocaustvermittlung

Erinnerung wachhalten: Heutige Wege der Holocaustvermittlung

Erinnerungskultur am Leben erhalten: Wie kann das heute aussehen? (Quelle: Canva)

Heute gedenken wir der Opfer des Holocaust. Am 27. Januar 1945 wurde das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau befreit. Die Nationalsozialisten ermordeten dort zwischen 1942 und 1944 über eine Million Menschen. Gerade in Zeiten, in denen ein Rechtsruck in ganz Europa erlebt wird, ist es wichtig, zu erinnern – an all die Leben, die der NS-Völkermord nahm und an das, was Rassismus anrichten kann. Anlässlich des Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust werfen wir einen Blick auf den Stand der Wissensvermittlung und Bildungsarbeit rund um das Thema. 

Erinnerungskultur neu denken

Die Berichte von Zeitzeugen sind von unermesslichem Wert für sowohl Bildungsarbeit als auch Geschichtsschreibung, denn ein akkurates Abbild der Zeit und der Geschehnisse können wir nicht erlangen. Einen kleine Auswahl online einsehbarer Zeitzeugenberichte findet sich beispielsweise in diesem Slidepost der Deutschen Welle. Doch 80 Jahre nach Kriegsbeginn bleiben immer weniger Holocaust-Überlebende, die über die Jahre vor 1945 berichten können. Einige Projekte und Institutionen haben es sich deshalb zur Aufgabe gemacht, das Erinnern fortzuführen und auf moderne Art zu präservieren.

Abgesehen davon, den letzten Überlebenden Gehör zu verschaffen, liegt die greifbarste Möglichkeit des Erinnerns in der Begehung der Orte, von denen sie erzählen. Der Besuch von Konzentrationslagern ist ein essenzieller Bestandteil der deutschen Erinnerungskultur. Die Gedenkstätte Bergen-Belsen hat als eines der zentralsten ehemaligen Konzentrationslager eine besondere Initiative ins Leben gerufen, die Besucher:innen um ein Vielfaches näher an die Geschichte des Ortes bringt: Hier kann man mit VR-Brillen (Virtual Reality) mittels Augmented Reality entdecken, wie das Gelände und die dortigen Gebäude ursprünglich ausgesehen haben. In einem kurzen Projektfilm des BR sind Eindrücke der zugehörigen Augmented Reality-App zu finden.

Auch das Konzentrationslager Sachsenhausen setzt auf die Möglichkeiten der VR: Hier kann man dem jüdischen Zeitzeugen Ernst Grube “gegenübertreten”. Das ganze funktioniert mit einem volumetrischen Interview. In der Pressemitteilung des KZ Sachsenhausen heißt es dazu: "Der 'begehbare Film' lädt nachfolgende Generationen auf einzigartige Art und Weise dazu ein, sich mit dem Nationalsozialismus auseinanderzusetzen. Das virtuelle Zeitzeugenprotokoll leistet somit einen wertvollen Beitrag zur Erinnerungskultur."

Schüler:innen Zugang verschaffen

Der klassischste Berührungspunkt für Schüler:innen ist seit Generationen der gemeinsame Besuch einer Gedenkstätte bzw. eines ehemaligen KZ. Umfragen zufolge sind Besuche von Gedenkstätten jedoch meistens noch nicht verpflichtend. Um die Erinnerungskultur der NS-Zeit trotz dieser Entwicklung auch für jüngere (Schüler-)generationen am Leben zu halten, ist beispielsweise der Bildungsreferent Christoph Mauny in der Bildungsarbeit zur Thematik aktiv. Mit innovativen Projekten zur Erinnerung an den Holocaust möchte er Jugendliche aktiv miteinbinden. 

Ein weiterer, etwas unkonventioneller Zugang zur Erinnerungskultur ist das PC-Spiel “Through the Darkest of Times.” Es handelt sich dabei laut Watson.de um ein interaktives Computerspiel, bei dem man sich auf der Seite des Widerstands durch die Geschehnisse des Zweiten Weltkriegs kämpft. Vor einer Empfehlung an jugendliche Schüler:innen solltet ihr euch jedoch erst selbst einen Überblick über das Spiel verschaffen, sowie dieses unbedingt mit der Klasse vor- und nachbesprechen, wie ein Historiker auch dem Spiegel gegenüber rät.

Ähnlich nah an der Lebensrealität von Schüler:innen angesiedelt ist die TikTok-Shoah-Bildungsinitiative: Die Initiative möchte mit verschiedenen Workshopreihen in Zukunft näher auf Schulen zugehen, um in Zusammenarbeit mit mittlerweile 14 Holocaust-Gedenkstätten “neue Zielgruppen zu erreichen und die notwendige Erinnerungskultur über Generationen hinweg weiterzutragen,” wie einer Meldung des TikTok-Newsroom entnommen werden kann. Das Projekt und vor allem die Plattform TikTok als eher unerwarteter Kooperationspartner schlägt bereits Wellen, die Optimismus zum gemeinsamen Vorhaben offenlegen: Israels Botschafter zeigt sich “beeindruckt, mit welchem Engagement TikTok und alle Beteiligten der Initiative diese riesige Plattform nutzen, um über den Holocaust aufzuklären und zu erinnern. Museen und Gedenkstätten erreichen damit junge und ganz neue Zielgruppen. Für die Weitergabe der Erinnerung an die Shoah ist dies ungeheuer wichtig. Dafür bin ich Ihnen allen sehr dankbar.”

Auf der Website des Deutschen Bildungsserver sind außerdem einige Materialien und Arbeitsblätter zu finden, die euch bei der Behandlung des heutigen Gedenktag der Opfer des Holocaust in eurem Unterricht unterstützen. Auch auf Lehrer-News findet sich bereits eine Sammlung an Ressourcen zur Holocaustvermittlung im Unterricht. Verknüpft zu diesem Themenblock und der derzeitigen gesellschaftlichen Brisanz sei an dieser Stelle auch auf das politische Neutralitätsgebot hingewiesen, das für euch als Lehrkräfte besteht. Näheres dazu, wie aktiv ihr beispielsweise in den “Protesten gegen rechts” sein dürft, findet ihr in unserem Artikel dazu.

Nicht zuletzt ist noch einmal ein kleiner Appell dazu sehr wichtig: Als Lehrkräfte seid ihr in den meisten Fällen die ersten Personen, die junge Schüler:innen in Kontakt mit diesem Teil der Geschichte bringen. Auch wenn es zum Standardrepertoire einer umsichtigen Unterrichtsführung gehört, kann es besonders bei dieser Thematik daher nicht schaden, ein genaues Auge auf die Emotionen und Fragen eurer Schüler:innen zu haben – die Art, wie ihnen hierbei begegnet wird, kann prägend dafür sein, wie sie im weiteren Verlauf von Schulkarriere und Leben die Wichtigkeit einer lebendigen Erinnerungskultur erachten. Das berühmte Zitat des Überlebenden Max Mannheimer wird für immer treffend bleiben: "Ihr seid nicht für das verantwortlich, was geschah. Aber dass es nicht wieder geschieht, dafür schon."

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