Gehört die Sportstunde auf die Ersatzbank?

Gehört die Sportstunde auf die Ersatzbank?

Die klassische Turnhalle für den Sportunterricht (Quelle: Canva)

Ein Geruch nach Hallenboden und alten Sportmatten liegt in der Luft. Das Quietschen von Turnschuhen auf Linoleum und flirrendes Neonlicht runden die Stimmung ab. Stellen sich dir bei dieser Vorstellung vor Angst die Haare auf oder kribbelt es dir in den Fingern, mal wieder eine Partie Völkerball zu spielen? Schulsport steht für Schüler:innen fest auf dem Stundenplan und soll Spaß an Bewegung und Sport vermitteln. Doch hat Schulsport wirklich den erhofften Effekt oder stellt er doch nur diejenigen Schüler:innen bloß, die weniger sportlich veranlagt sind? Heute betrachten wir das Thema Schulsport von wissenschaftlicher Seite und bewerten die aktuelle Lage.

Sport als Teil eines gesunden Lebensstils

Sport hat nachweislich positive Auswirkungen auf die körperliche und psychische Gesundheit. Durch regelmäßige Bewegung kann das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen verringert werden und auch Blutdruck- und Blutzuckerwerte sowie Muskeln und Gelenke profitieren davon. Außerdem werden durch Bewegung Kalorien verbrannt, was Übergewicht vorbeugt oder bei Gewichtsverlust unterstützend wirken kann. Auch auf molekularer Ebene bringt Sport unzählige Vorteile mit sich. Botenstoffe wie Endorphine, Serotonin und Dopamin werden vermehrt ausgeschüttet und beeinflussen Stimmung und Wohlbefinden positiv. Ebenso kann durch den verringerten Cortisolspiegel bei Ausdauersport Stress reduziert werden und Probleme mit Konzentration und Schlaf verbessern. Kurzum – Sport tut gut und ist gesund!

Ein früher Zugang zu sportlicher Aktivität schon im Kindes- und Jugendalter legt den Grundstein für ein aktives Leben und kann zudem Selbstvertrauen und Körpergefühl stärken. Klingt erstmal so, als stünde Schulsport zu Recht auf dem Stundenplan, oder? Tatsächlich sind erschreckend viele Kinder und Jugendliche von Übergewicht, Haltungsschäden und Koordinationsstörungen betroffen und nur 28 Prozent der drei- bis 17-Jährigen sind täglich die empfohlene Stunde körperlich aktiv. Zudem können immer mehr Schüler:innen nicht schwimmen.

Quelle: Canva

Durch gezieltes Training, ein vielfältiges Angebot an Sportarten und Rücksichtnahme auf das individuelle Fitnesslevel kann Schulsport einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen zu verbessern. Durch Teamsportarten wird der Gruppenzusammenhalt gefördert und die Teamfähigkeit wird gestärkt. Gemeinsame Bewegung macht besonders Kindern häufig mehr Spaß als Einzelsportarten und kann spielerisch verpackt Sport in den Alltag integrieren. Auch für Lehrkräfte ist die Sportstunde eine Möglichkeit, für eine dreiviertel Stunde vom Stuhl aufzustehen und aktiv zu werden, was in anderen Fächern oftmals nicht möglich ist. (Quelle: Canva)

Die „perfekte“ Sportstunde

Entscheidend bei der Gestaltung einer Sportstunde ist es, möglichst alle Schüler:innen zu motivieren und für verschiedene Bewegungsformen zu begeistern. Lehrkräfte, die zu Beginn jeder Stunde lediglich die Frage stellen, ob die Klasse lieber Völkerball oder Brennball spielen möchte, schließen unbewusst einen Teil der Schüler:innen aus. Mit einem Angebot von verschiedenen Sportarten, von Ballsport und Turnen bis zu Ausdauersport, Leichtathletik und Fitness, bietet die Sportstunde Raum für Kreativität und Abwechslung. Ob es eine Stunde Yoga, eine Partie Lacrosse oder ein selbst ausgedachtes Spiel der Schüler:innen ist, Bewegung kann auf vielerlei Art und Weise stattfinden. Wer neue Ideen braucht, kann sich auf Instagram oder anderen Websites Inspiration holen und vielleicht sogar eigene sportliche Interessen einbringen.

Wer jede Sportstunde neu gestaltet und verschiedene Arten von Sport anbietet, holt eine größere Menge der Klasse ab, als es die allwöchentliche Runde Fußball tut. Trotz größter Bemühungen bleibt es eine Herausforderung, tatsächlich jedes Kind auf seinem individuellen Fitnesslevel abzuholen und auf die unterschiedlichen Bedürfnisse optimal einzugehen. Ein breites Angebot sorgt allerdings dafür, dass alle Schüler:innen die persönlichen Stärken im sportlichen Bereich entdecken können und vielleicht die Motivation erhalten, auch in der Freizeit einer bestimmten Sportart nachzugehen.

Die inhaltliche Gestaltung der Sportstunde spielt also eine wichtige Rolle. Die soziale Situation, die sich im Rahmen des Schulsports abspielt, ist ebenso entscheidend, damit Schüler:innen einen Zugang zu Bewegung finden und sich wohlfühlen können. Das klassische Wählen zweier Mannschaften durch zwei Schüler:innen führt immer zu Ausgrenzung und sozialer Bewertung. Das Kind, das als letztes gewählt wird bzw. immer unter den letzten paar Schüler:innen vor den schon gebildeten Mannschaften steht, wird bloßgestellt und fühlt sich oftmals als Außenseiter:in. Dabei gibt es unzählige Methoden, zwei oder mehr Teams einzuteilen, bei denen keine Bewertung durch die Mitschüler:innen erfolgt.

Noten im Schulsport abschaffen?

Doch nicht nur beim Wählen von Mannschaften kann eine Lehrkraft die soziale Situation im Blick behalten und ein gerechtes Umfeld schaffen. Noch immer werden für diverse sportliche Leistungen Schulnoten vergeben. Das klassische Beispiel Bundesjugendspiele kennt natürlich jede:r, doch auch auf den 3000-Meter-Lauf, die Volleyball-Prüfung oder die Kür im Bodenturnen folgt in der Regel eine Note, die nach klaren und unangepassten Richtlinien vergeben wird.

Quelle: Canva

Ein direkter Vergleich zwischen denen, die in ihrer Freizeit Leichtathletik machen und außerdem mehrmals die Woche im Fußballverein spielen, und anderen Schüler:innen, die zuhause gerne zeichnen und Gitarre spielen, ist schlichtweg unfair. Anstatt der bloßen Beurteilung der Leistung durch die Zeit auf der Stoppuhr oder der Anzahl an getroffenen Freiwürfen sollte der Fokus vielmehr auf der Bereitschaft liegen, die  Schüler:innen aufbringen, um die persönliche Bestleistung zu erbringen. Auch wer nicht als erste:r durch das Ziel rennt, kann sich innerhalb von wenigen Wochen stark verbessert haben. (Quelle: Canva)

In fast jeder Klasse gibt es Schüler:innen, die im Schulsport resignieren und sich selbst als „unsportlich“ sehen, weil sie schlechtere Noten für ihre Leistungen erhalten als andere. Auf Dauer führt das zu fehlender Motivation für Bewegung und ist nur in seltenen Fällen ein wirklicher Ansporn. In Fächern wie Sport oder auch Kunst und Musik lohnt sich die Überlegung, Noten abzuschaffen, definitiv. Bei kreativen und aktiven Tätigkeiten sollte nicht versucht werden, unterschiedlichste Leistungen in starre Kategorien einzuteilen, sondern vielmehr individuelle Wertschätzung und Förderung seinen Platz finden.

Wie kann eine Sportstunde also möglichst abwechslungsreich, gerecht und motivierend gestaltet werden? Ein wichtiger Aspekt, der Sportunterricht relevant macht, ist die Vermittlung von Spaß an Bewegung und die Heranführung an einen gesunden Lebensstil. Ergänzend zum Sport in der Halle und auf dem Platz könnte der Unterricht außerdem einen größeren theoretischen Teil umfassen, in dem es um Ernährung, Gesundheit und Fitness geht. Wer die Vorteile versteht, ist eher motiviert, sich anzustrengen und zu verbessern.

Insgesamt sollte allen Schüler:innen die Möglichkeit gegeben werden, sich auszuprobieren und ohne Leistungsdruck den Spaß an Sport zu entdecken. Natürlich ist in vielen Sportarten ein gewisser Ehrgeiz nicht zu vermeiden und manchmal auch ein großer Ansporn, jedoch sollte in der Klassengemeinschaft niemand aufgrund seiner Fitness ausgegrenzt und benachteiligt werden. Die Lehrkräfte können entgegenwirken, indem sie den Überblick über die unterschiedlichen Bedürfnisse der Schüler:innen nicht verlieren und mehrere Optionen anbieten.

Was denkt ihr zu der aktuellen Situation im Schulsport? Hat Sport in der Schule seinen berechtigten Platz und sind Noten für sportliche Leistungen fair? Schreibt es uns gerne in die Kommentare!

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